Kein Fahrverbot im Härtefall – Existenzgefährdung

aktuelle Rechtsprechung zum Fahrverbot

Auch wenn nach dem Bußgeldkatalog ein Fahrverbot vorgesehen ist und der Geschwindigkeitsverstoß zweifelsfrei fest steht, kann ein Absehen vom Fahrverbot möglich sein. Die Anforderungen hierfür liegen allerdings sehr hoch. Dies zeigte auch ein neueres Urteil des Amtsgerichtes Wuppertal (26 Owi – 623 Js 1901/10-267/10).

Der dortige Fahrer überschritt nach den Feststellungen des Gerichtes die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerorts um mindestens 41 km/h, da er auf einer Autobahn ein Tempo-80-Schild übersehen oder ignoriert hatte. Nach den Festlegungen des geltenden Bußgeldkataloges eigentlich ein „klarer Fall“: Die Behörde verhängte eine Geldbuße in Höhe von 160,- EUR, es kam zur Eintragung von drei Punkten und zu der wohl für die meisten Autofahrer schmerzhaftesten Sanktion des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechtes: Es wurde ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.
Der Fahrer ging dennoch gegen den Bescheid der Verkehrsbehörde vor. Im Ergebnis erfolgreich. Die Behörde hatte bei der Verhängung des Fahrverbotes nicht die besondere berufliche und soziale Situation des Autofahrers berücksichtigt, wie das Amtgericht befand.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichtes könnte der Fahrer glaubhaft darlegen, dass das Fahrverbot in seinem speziellen Fall unangemessen war. Es kann nach § 4 IV BkatV von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden, wenn Annahme eines Ausnahmefalles gerechtfertigt ist und die Verhängung eines Fahrverbotes trotz der groben Pflichtverletzung unangemessen wäre, wobei das Vorliegen erheblicher Härten oder einer Vielzahl für sich  genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände ausreicht. Hierfür war jedoch seitens des Betroffene ein hoher Begründungsaufwand und natürlich auch das tatsächliche Vorliegen erheblicher Härten notwendig, wie der Fall eindrücklich zeigte.
Der Fahrer befand sich gerade in der Phase einer Existenzgründung und war deswegen zwingend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Er benötigte sein Fahrzeug für Kundenbesuche zu Akquisezwecken. Auf diese beruflichen Aktivitäten konnte er grade in der Gründungsphase seines Unternehmens nicht verzichten und auch die Benutzung öffentlicher Verkehrmittel hätte keinen sinnvollen Ersatz für die Autofahrten dargestellt. Selbst ein Urlaub für die Zeit des Fahrverbotes sei ihm nicht möglich und auch nicht zu finanzieren gewesen. Der Betroffene, ein Familienvater, wäre durch das Fahrverbot in seiner geschäftlichen Existenz gefährdet. Diese von dem Verteidiger des Fahrers dargestellten, nachvollziehbaren Umstände begründeten damit nach der Auffassung des Amtsgerichtes Wuppertal eine außergewöhnliche und unverhältnismäßige Härte durch die Verhängung eines Fahrverbotes, welche über bloße Unannehmlichkeiten für den Betroffenen hinausgingen.

Die vorliegende Entscheidung bezieht sich zwar auf einen Einzelfall, sie macht jedoch deutlich, dass sich gerade bei einschneidenden und hart in die Rechte des Betroffenen eingreifenden Verfügungen der Verkehrsbehörden eine juristische Überprüfung lohnen kann.

Steffen Breitsprecher

Rechtsanwalt